Ein Gericht in New York hat die Verurteilung von Harvey Weinstein wegen Sexualverbrechen im Jahr 2020 aufgehoben.
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Ein Gericht in New York hat die Verurteilung von Harvey Weinstein wegen Sexualverbrechen im Jahr 2020 aufgehoben.

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Berufungsgericht hebt Urteil gegen Harvey Weinstein auf

Ein New Yorker Gericht hat die 2020 wegen Sexualverbrechen erfolgte Verurteilung des ehemaligen Filmproduzenten Harvey Weinstein aufgehoben. Grund seien Verfahrensfehler des Richters. Wegen einer weiteren Verurteilung bleibt Weinstein aber in Haft.

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Ein New Yorker Berufungsgericht hat die Verurteilung des einstigen Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein wegen Vergewaltigung aus dem Jahr 2020 aufgehoben. Das Gericht entschied am Donnerstag, der Richter in dem bahnbrechenden #MeToo-Prozess habe Weinstein benachteiligt. Dazu zähle die Entscheidung, Frauen über Anschuldigungen aussagen zu lassen, die nicht Teil des Falles gewesen seien.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs fiel mit vier zu drei Stimmen denkbar knapp aus. Mit diesem Urteil mache das Gericht "die stetigen Fortschritte zunichte, die Überlebende von sexueller Gewalt in unserem Strafjustizsystem erkämpft haben", schrieb einer der Richter, die gegen die am Donnerstag verkündete Entscheidung gestimmt hatten.

Juristen rechtfertigen Entscheidung mit "schwerwiegendem Fehler"

Der Vorsitzende Richter begründete die Entscheidung damit, dass das erstinstanzliche Gericht Zeugenaussagen über nicht angeklagte, mutmaßliche frühere sexuelle Handlungen zugelassen habe. Tatsächlich stützte sich die Anklage bei dem weltweit beachteten Fall auf eine Reihe von Zeuginnen, die Weinstein sexuelle Übergriffe vorwarfen, die allerdings nicht Teil der Anklage waren. Die Staatsanwaltschaft wollte so zeigen, dass die Taten Weinsteins einem wiederkehrenden Muster folgten. Seit 2017 haben mehr als 80 Frauen Weinstein öffentlich sexuelle Übergriffe vorgeworfen.

Weinsteins Masche war es den übereinstimmenden Aussagen der Frauen zufolge, junge Schauspielerinnen unter der Vorgabe, er halte sie für talentiert und wolle ihnen bei ihrer Karriere helfen, in Hotelzimmer zu locken. Dort verlangte er dann demnach sexuelle Handlungen von ihnen. Der Staatsanwaltschaft zufolge nutzte Weinstein dabei seine herausragende Machtposition in Hollywood aus, um sich die Frauen gefügig zu machen. Als Produzent von Filmen wie "Pulp Fiction" oder "Gangs of New York" war er sehr erfolgreich, für "Shakespeare in Love" gewann Weinstein auch einen Oscar.

Hollywood-Größe trat zuletzt mit Rollator auf

Weinstein war bei dem Prozess in New York stets mit einem Rollator zum Gericht gekommen. Von seinen Kritikerinnen und Kritikern wurde das als Versuch gewertet, ihn als schwach und wenig angsteinflößend darzustellen. Als Geschäftsführer seiner Filmfirma Miramax, die er mit seinem Bruder Bob gegründet hatte, hatte Weinstein allerdings den Ruf, mitunter auch aggressiv aufzutreten.

Weinstein sitzt aktuell im Gefängnis

Der 72-jährige Weinstein verbüßt derzeit eine 23-jährige Haftstrafe in einem New Yorker Gefängnis. Er wurde 2006 verurteilt, weil er eine Produktionsassistentin zum Oralsex gezwungen hatte, und 2013 wegen Vergewaltigung er angehenden Schauspielerin. Er bleibt in Haft, weil er 2022 in Los Angeles wegen einer anderen Vergewaltigung zu weiteren 16 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Weinstein wurde in Los Angeles vom Vorwurf einer der Frauen, die in New York ausgesagt hatten, freigesprochen.

Das Verfahren wird wohl neu aufgerollt

Nach Angaben der "New York Times" muss nun Manhattans Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg entscheiden, ob er ein neues Verfahren gegen Weinstein einleitet. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte gegenüber dem Magazin "The Daily Beast", man werde alles tun, um diesen Fall erneut zu verhandeln.

Die Bedeutung des Falles Weinstein und seiner Verurteilung

Weinstein war einst einer der mächtigsten Manager in der US-Filmbranche. Der erste Weinstein-Prozess markierte einen Meilenstein der Rechtsgeschichte. Außerdem entwickelte sich nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe die #MeToo-Bewegung: Betroffene von sexueller Gewalt begannen, ihre Erfahrungen unter dem entsprechenden Schlagwort zu sammeln. Die #MeToo-Bewegung hatte das Urteil gegen Weinstein gefeiert - aber auch kritisiert, dass er nicht in allen Anklagepunkten für schuldig befunden wurde.

Die #MeToo-Bewegung wird als Treiber der globalen Gleichstellung von Frauen und Männer gesehen. Durch die internationale Debatte und die Verurteilung Weinsteins wurden viele ungerechte und sexistische Verhaltensweisen in Gesellschaften hinterfragt.

Die Schauspielerin Ashley Judd, die 2017 in der "New York Times" über ihre Erfahrungen mit Weinstein berichtet hatte, sprach bezüglich der Entscheidung des Berufungsgerichtes davon, dass diese "unfair gegenüber den Opfern" sei. "Wir leben immer noch in unserer Wahrheit. Und wir wissen, was passiert ist.", so Judd.

Mit Informationen von AP, AFP und dpa

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