Duisburg: Container werden im Hafen verladen.
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Die deutsche Wirtschaftsprognose für 2024 wurde geringfügig nach oben korrigiert. Experten sehen darin aber noch keinen Durchbruch.

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Deutsches Wirtschaftswachstum: Lichtblick oder Nebelkerze?

Bundeswirtschaftsminister Habeck hat einen Wendepunkt bei der schwächelnden deutschen Wirtschaft ausgemacht. Die Anzeichen für eine Erholung mehren sich. Aber ist das schon die Trendwende?

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Zuversicht macht sich breit, auch wenn sie ein wenig gedämpft ist. Bundeswirtschaftsminister Habeck erklärt, dass die Bundesregierung 0,3 Prozent Wachstum für dieses Jahr erwartet statt 0,2 Prozent. Die Anzeichen für eine konjunkturelle Aufhellung hätten sich deutlich verstärkt, so Habeck.

Ist das der Wendepunkt?

Dann kamen auch noch die guten Zahlen des neuesten Ifo-Geschäftsklimaindex, also dem Stimmungsbarometer der deutschen Unternehmen. Dieser stieg zum dritten Mal in Folge. Die Firmen beurteilten ihre Geschäftslage und die Aussichten für die kommenden Monate also günstiger als zuletzt. Auch die Konsumstimmung der Verbraucher hat sich im April verbessert. Das GfK-Konsumklima wird im Mai ein Zwei-Jahres-Hoch erreichen. Gleichzeitig geht die Inflation runter und die Reallöhne nach oben. Ist das also das Licht am Ende des vielzitierten Tunnels?

Deutschland Schlusslicht in Europa

Der Reihe nach: Das deutsche Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent sei natürlich "nichts, mit dem wir zufrieden sein können", sagte Habeck am Mittwoch. Ein Blick auf die Zahlen verrät: Europaweit sind wir mit Schweden damit Schlusslicht. Andere Länder wie Irland oder Tschechien erwarten ein Wachstum von über einem Prozent.

Es gebe aber eine Reihe positiver Entwicklungen, so Habeck. So habe die Inflation schneller nachgelassen als noch vor zwei Monaten prognostiziert. Laut Frühjahrsprognose dürft sich der Anstieg der Verbraucherpreise nach 5,9 Prozent im vergangenen Jahr auf 2,4 Prozent im laufenden Jahr verringern. Und damit hätten die Menschen auch wieder mehr Geld in der Tasche, denn die Reallöhne steigen laut Habeck deutlich. Das kann auch der Ifo-Präsident bestätigen:

"Wir haben derzeit Lohnerhöhungen, die über die Inflationsrate hinausgehen und das bedeutet, die Haushalte haben letztlich auch real mehr Geld im Geldbeutel und fangen jetzt auch an, dieses Geld auszugeben." Clemens Fuest, ifo Institut

Unternehmen: Stimmung hellt sich auf

Die Unternehmen hinken da noch ein bisschen hinterher. So stabilisiere sich die Konjunktur, vor allem durch die Dienstleister, so Ifo-Präsident Clemens Fuest. In der Industrie verbesserte sich die Stimmung insgesamt, aber die Betriebe bewerten ihre Lage schlechter und der Auftragsbestand sank weiter. "Produktionssteigerungen sind nicht in Sicht", betonte Fuest. Auch im Handel stieg der Geschäftsklimaindex. "Die Geschäftserwartungen verbesserten sich deutlich, bleiben allerdings insgesamt pessimistisch."

Am Bau ging es das dritte Mal in Folge bergauf - dank weniger pessimistischer Erwartungen. Die Lage wurde aber schlechter beurteilt und viele Firmen klagten über Auftragsmangel. Ähnliches zeigen auch die realen Zahlen vom statistischen Bundesamt: So seien die Aufträge im Baugewerbe im Februar um 0,9 Prozent gestiegen, aber die Branche sehe noch keinen Grund zur Entwarnung. Einschließlich nominaler Preiserhöhungen waren die Auftragseingänge um 4,1 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. Die Zahlen werden besser, wenn auch auf einem niedrigen Niveau.

Die deutschen Unternehmen hätten aber immer noch mit handfesten strukturellen Herausforderungen zu kämpfen - insbesondere den hohen Kosten für Energie, Personal oder der Finanzierung, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Auch 2024 werde ein schwieriges Jahr.

"Hinzu kommt, dass Deutschland auch im internationalen Vergleich an Boden verliert, nicht zuletzt wegen der hohen Steuerlast und enormer Bürokratiebelastungen." Martin Wansleben, DIHK

Exporte stagnieren

Auch die die Exportentwicklung passt nicht ganz zur Stimmung. Das zeigen die neusten Zahlen des Ifo-Instituts. Die vielen guten Wachstumsaussichten in der Weltwirtschaft hätten sich noch nicht in zusätzlichen Aufträgen niedergeschlagen, sagt Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe. "Der Exportwirtschaft fehlt im Moment der Schwung." Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet für das laufende Jahr mit einer Stagnation der Exporte. "Die Industrie in Deutschland hat sich von den Kosten- und Nachfrageschocks, von zeitweise extrem hohen Energiepreisen und von der Inflation noch nicht erholt", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm kürzlich auf der Hannover-Messe. Damit sei vom Außenhandel, einem der wichtigsten Wachstumstreiber der deutschen Wirtschaft, auch in diesem Jahr nicht mit einem positiven Impuls zu rechnen.

Konsumlaune steigt leicht

Die Kauflaune der Deutschen ist laut der neuesten Studie zum Konsumklima im Lande weiterhin schlecht, aber sie erhole sich leicht. "Die Einkommenserwartung legt spürbar zu, die Konjunkturerwartung und die Anschaffungsneigung steigen moderat", teilten die Nürnberger Institute GfK und NIM als Ergebnis ihrer Studie zum Konsumklima im April mit. Der Konsum werde derzeit durch eine weiterhin sehr hohe Sparneigung gebremst, fanden die Forscher heraus. "Der im Vergleich zu den beiden Vormonaten stärkere Anstieg des Konsumklimas ist vor allem auf die spürbare Zunahme der Einkommenserwartungen zurückzuführen", sagte der NIM-Konsumexperte Rolf Bürkl.

Allerdings: Die Stimmung unter den Verbrauchern sei derzeit noch schlechter als die tatsächliche Lage. "Die derzeit schlechte Stimmung liegt wie ein Schleier über den Fakten", sagte Bürkl. Es herrsche eine starke Verunsicherung angesichts der vielen nationalen und internationalen Krisen. Kräftige Impulse für die Binnennachfrage blieben somit weitgehend aus.

Habeck: "Wir haben noch viel zu tun"

Man kann feststellen: 0,3 Prozent Wirtschaftswachstum ist also noch lange kein Grund, um die Champagnerkorken knallen zu lassen. Das weiß auch Bundeswirtschaftsminister Habeck. Er sieht trotz der verbesserten Lage keinen Anlass zu Selbstzufriedenheit. "Deutschland ist abgefallen in der Wettbewerbsfähigkeit", räumte er ein. Planungs- und Genehmigungsverfahren müssten daher beschleunigt, Bürokratie abgebaut und eine Kapitalmarktunion in Europa geschaffen werden. "Wir haben viel zu tun", sagte Habeck.

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